Schriften beißen nicht

…sind aber um Einiges komplexer »herzustellen« als noch vor 20 Jahren, wenn man technisch sauber arbeiten möchte.

Am gestrigen Sonntag nahm ich an einer Fortbildung der Typographischen Gesellschaft München teil, die seit vielen Jahren neben Vorträgen auch Weiterbildungen anbietet. Diesmal ging es um die Arbeit mit dem führenden Font-Werkzeug FontLab.

Meine eigene Historie im Bearbeiten von Schriften reicht zurück ins Jahr 1990, als ich mit Altsys Fontographer (von Altsys stammte auch Freehand, dass aber von Aldus vermarktet wurde) einen Font mit Musiknotensymbolen namens Susato erstellte. Den brauchte ich für meine damalige Tätigkeit als Notensetzer, da mir die Adobe Sonata zu statisch/technisch für Liederbücher erschien. In späteren Jahren (vor Unicode!) habe ich dann noch Fonts ertüchtigt um slowakische Texte zu setzen, oder aus vielen Einzelschnitten (CE, CYR, Baltic) einen umfassenden Unicode-Font zusammengebaut. Ein zwischenzeitliches Update auf FontLab 3 hielt mich auf dem Stand der Technik, allerdings bin ich bislang das Upgrade zu FontLab Studio 5 nicht mitgegangen. Die Unterstützung für OpenType-Features lockt mich nun aber doch…

Abgesehen von den zahlreichen Fleißaufgaben, denen sich ein Schriftgestalter heute stellen muss (wie zum Beispiel das Mitliefern aller diakritischen Zeichen für sämtliche europäischen Sprachen, die auf dem lateinischen Alphabet beruhen), gehören dazu für den professionellen Einsatz in der Dokumentation natürlich auch kyrillische und griechische Glyphen. Trotz einer gewissen Verwandtschaft muss man dabei aber immer auch individuelle sprachliche Traditionen berücksichtigen, das heißt der Gestalter muss sich auch intensiv mit den jeweiligen Kulturen beschäftigen.

Nur ein Beispiel: In vielen Fällen (und in manchen Browsern auch automatisch) ist die Ligatur fi eine gute Wahl (es sei denn die Buchstaben fallen auf eine Silbengrenze). Aber nicht im Türkischen, denn dort wird zwischen i mit und ı ohne Punkt unterschieden und bei einer Ligatur fiele dieser Unterschied weg.

Diese und viele andere Besonderheiten machen Schriftsatz und Schriftgestaltung zu einem faszinierenden Gebiet. Für den Programmierer in mir stellt die Programmierung von OpenType-Feature eine weitere äußerst interessante Möglichkeit zur Optimierung von Schriftsatz dar. Lust habe ich sehr darauf, allein, mein primäres DTP-Programm FrameMaker verstünde dies nicht. Zu schade! Ob wir in Zukunft hier Fortschritte sehen werden?

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